Die Sache mit der Vergebung

Kleine Anmerkung: Weil ich in meinen Blogposts zu einem ehrlichen und persönlichen Nachdenken einladen möchte, verwende ich ein freundlich und respektvoll gemeintes „Du“.

Vergebung – das ist so ein Thema, das einem ziemlich viel begegnet, wenn man sich im weitesten Sinne für persönliche Weiterentwicklung oder gelingende Beziehungen interessiert (und in diesem Zusammenhang vielleicht auch mal das ein oder andere Buch liest). Häufig hört man dann, Vergebung sei die beste Möglichkeit, sich nicht länger mit ziemlich hartnäckigen, giftigen Gefühlen zu belasten, die wir oft erleben, wenn wir etwas Schmerzhaftes einfach nicht vergessen können. Vergebung sei deshalb auch eigentlich nichts, was wir dem anderen zuliebe täten, sondern vor allem etwas, das uns selbst zugute käme. Vergebung also, um uns selbst zu befreien – klingt in der Theorie gut, oder?

In der Praxis gestaltet sich die ganze Angelegenheit meiner (persönlichen ebenso wie professionellen) Erfahrung nach bloß leider oft nicht ganz so einfach – schließlich gibt es keinen Zauberspruch, den wir bloß dreimal bei Vollmond aufsagen müssen, damit Gefühle wie Verletzung, Enttäuschung und Groll sich freundlich in Luft auflösen. Auch wenn wir Vergebung also grundsätzlich für eine prima Sache halten, kann es sein, dass wir uns damit in der Realität ganz schön schwer tun.

Wenn wir etwas nicht loslassen können, finde ich es immer interessant zu erforschen, woran das eigentlich liegt. Wie denken wir über das, was damals passiert ist? Oft glauben wir, jemand, von dem wir uns verletzt oder unrecht behandelt fühlen, hätte sich damals freundlicher, liebevoller oder großzügiger verhalten können – und hätte sich wider besseren Wissens dagegen entschieden.

Nun möchte ich keinesfalls am Konzept des freien Willens rütteln – natürlich haben wir alle immer die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wählen und tragen Verantwortung für unsere Entscheidungen. Dennoch möchte ich dir folgenden Gedanken anbieten: Wir alle versuchen eigentlich immer, unser Bestmögliches zu tun – und zwar auf Basis unseres gegenwärtigen Bewusstseins.

Es ist natürlich toll, wenn dieses Bewusstsein mitfühlend, liebevoll, mutig ist – nicht selten ist unser Bewusstsein (auch unser eigenes) aber eben auch von alten, mittelmäßig hilfreichen Vorstellungen davon geprägt, wie das Leben vermeintlich so funktioniert. Oder von Angst: Angst, dass es keinen besseren Weg gibt. Angst, dass wir zu kurz kommen, wenn wir unsere Ellenbogen nicht ausfahren. Angst, dass es ja doch nichts bringt, wenn wir uns um ein freundlicheres, verantwortungsvolleres Verhalten bemühen. Ich glaube, das es unser gegenwärtiges Bewusstsein ist, das darüber entscheidet, welche Handlungsmöglichkeiten unter vielen wir für uns überhaupt in Betracht ziehen – und dass wir meistens ehrlich versuchen, unter diesen Möglichkeiten einigermaßen gut zu wählen. Kommt dabei dann auch etwas Gutes heraus? Manchmal ja – und manchmal eher weniger…

Was hat das nun mit Vergebung zu tun? Nun, meiner Erfahrung nach kann Vergebung oft erst dann entstehen, wenn wir begreifen, dass Menschen, von denen wir uns verletzt fühlen, immer im Rahmen ihres damaligen Bewusstseins gehandelt haben. Dieses Bewusstsein mögen wir extrem blöd finden – aber mehr war zu diesem Zeitpunkt leider einfach nicht drin. Das gilt natürlich auch für uns selbst und die Dinge, die wir uns womöglich immer wieder vorhalten: Heute erkennen wir vielleicht, was eine klügere, mutigere oder liebevollere Entscheidung gewesen wäre. Im Rahmen unseres damaligen Bewusstseins war das aber schlichtweg nicht möglich.

Ich persönlich finde, dass diese Erkenntnis helfen kann, unseren Groll loszulassen und anzuerkennen: So war es eben. Aus dem, was war, können wir jedoch Wertvolles für die Zukunft lernen. Und das kann unter Umständen auch die Erkenntnis beinhalten, dass wir uns von machen Menschen abgrenzen müssen, wenn wir uns selbst ein guter Freund sein wollen – sogar, wenn wir ihnen vergeben.

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