Über den Wert von Komfortzonen

Kleine Anmerkung: Weil ich in meinen Blogposts zu einem ehrlichen und persönlichen Nachdenken einladen möchte, verwende ich ein freundlich und respektvoll gemeintes „Du“.

Ein Begriff, der mich ehrlich gesagt in den letzten Jahren so manches Mal ziemlich genervt hat, ist der der „Komfortzone“. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe den Eindruck, die Social-Media-Feeds und Postkartenständer dieser Welt sind voll mit flotten Sprüchen, die uns darauf hinweisen möchten, „that change never happens inside comfort zones“ (oder so ähnlich). Natürlich verstehen wir vermutlich alle, was damit zum Teil gemeint sein soll: Das Leben ändert sich nun mal nicht ganz so leicht vom Sofa aus. Was mir daran trotzdem aufstößt, ist der leicht drillartige Ton, der da häufiger mal mitzuschwingen scheint: Dein Leben fühlt sich nicht so toll an? Na los, hopp hopp, dann beweg dich endlich mal. Für manche Leute mag dieser Impuls zur richtigen Zeit kommen. Andere haben in ihrem Leben schon einiges Schwieriges, vielleicht sogar Traumatisches hinter sich gebracht – und die Komfortzone, die sie gerade gefunden haben, ist genau der Raum, den sie brauchen, um zu heilen, und in dem sie lernen können, wieder verletzlich zu sein. Und auch für alle anderen gilt meiner Erfahrung nach: Fast immer brauchen wir Sicherheit UND Herausforderung, um wachsen zu können.

Beobachten können wir das schon bei kleinen Kindern, die etwas Neues lernen schwimmen zum Beispiel, oder allein in der Kita bleiben. Hier funktioniert gar nichts, wenn wir als Erwachsene nur auf den Schubs aus der „Komfortzone“ setzen. Es braucht viele kleine Minischritte, beständige Ermutigung und immer wieder auch Phasen der Erholung, bis etwas bewältigt werden kann, das zuvor noch Angst gemacht hatte. Gut verständlich wird das anhand eines bekannten Modells aus der Erlebnispädagogik: das der Komfortzone, Stretch-Zone und Panik-Zone. Veränderung findet demnach am besten in der Stretch-Zone statt. Dort erproben wir Neues, können uns aber immer wieder auch in die Sicherheit des Bewährten zurückziehen und verfallen – ganz wichtig – nicht in Panik angesichts von Umständen, die uns schlichtweg überfordern.

Wenn es um Kinder geht, ist den meisten Erwachsenen, mit denen ich spreche, sofort klar, dass diese den gesunden Wechsel zwischen Neuem und Vertrauten brauchen. In Hinblick auf sich selbst erlebe ich jedoch bei vielen Erwachsenen eine große Härte und wenig Verständnis für die eigenen Bedürfnisse nach Erholung und einem bestärkenden Umfeld. Dabei geht das, was wir erzwingen, oft nach hinten los: Vielleicht werfen wir uns nicht mehr wie überforderte Dreijährige heulend auf den Boden, aber oft entwickeln wir mit der Zeit starke innere Widerstände oder psychische und physische Symptome, bis irgendwann nichts mehr geht.

Deshalb möchte ich dich heute einladen, deine Aufmerksamkeit einmal deiner persönlichen Stretch-Zone zuzuwenden:

Wo tut es dir gut, Neues zu wagen? Und in welchem Bereich fühlt sich Erfolg gerade nur noch nach Stress und nicht mehr nach Freude an? Ist es dir möglich, dich immer wieder in sichere Sphären und zu Menschen, die dir Kraft geben, zurückzuziehen?

Ich möchte dich herzlich dazu ermutigen, mild mit dir zu sein und in einem stetigen Wechsel aus Spannung und Entspannung keine Schwäche zu sehen – sondern das allerbeste Umfeld, um nachhaltige Veränderung entstehen zu lassen. In diesem Sinne wünsche ich dir einen wunderbaren Sonntag und Zeit zum Auftanken. Deine Anne

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