Weshalb uns prägt, was unsere Eltern sich (nicht) erlauben

Kleine Anmerkung: Weil ich in meinen Blogposts zu einem ehrlichen und persönlichen Nachdenken einladen möchte, verwende ich ein freundlich und respektvoll gemeintes „Du“.

Kinder lernen durch das, was sie sehen, nicht durch das, was sie hören. Dieser Satz ist mir vor kurzem begegnet und mir war sofort klar, dass er sehr gut trifft, was in meiner Beratungspraxis immer wieder Thema ist: Der Einfluss unserer Kindheit auf unser Verhalten und Empfinden. Dass uns grundsätzlich prägt, wie unser Verhältnis zu Mama und Papa (oder Oma und Opa) so war und ist, muss ich sicherlich niemandem erklären – dieses Wissen ist im Jahre 2019 im Prinzip omnipräsent und die Buchhandlungen sind voll mit Büchern zu dem Thema. Was uns meiner Erfahrung nach jedoch nicht immer unbedingt so bewusst ist, ist die Erkenntnis: Uns prägt nicht nur, wie sich Eltern gegenüber ihren Kindern verhalten, sondern auch, wie sie ihr Leben selbst gestalten. Wenn ich mit Klient*innen arbeite, die in Beziehungen immer wieder auf bestimmte Probleme stoßen oder die ungesunde Muster zum Thema Arbeit und Leistung entwickelt haben, lenke ich ihren Blick oft auf das Thema Glaubenssätze – also auf unbewusste Annahmen, die prägen, wie wir uns verhalten und durch welche „Brille“ wir unsere Umwelt wahrnehmen. Wenn es dann darum gehen soll, einen Blick auf die eigene Kindheit zu werfen, höre ich (erfreulicherweise) nicht selten: „Aber ich hatte tolle Eltern!“. Zum Glück gibt es immer mehr Menschen, die in ihrer Kindheit liebevoll begleitet und bestärkt wurden und in deren Erziehung schwarze Pädagogik kaum mehr eine Rolle gespielt hat. Alles gut also, oder?

Nicht unbedingt. Denn als Kinder lernen wir nicht nur durch das, was uns unsere Eltern bewusst zu vermitteln versuchen, sondern vor allem auch über das, was wir bei ihnen beobachten können. Wenn Mama uns zwar immer gesagt hat, wie hübsch wir seien, selbst aber ständig an ihrem Gewicht herumgemäkelt hat, dann merken wir uns diese ambivalente Botschaft zum Thema Schönheit genau. Wenn uns unsere Eltern darin bestärkt haben, gut auf unser Wohlbefinden zu achten, selbst aber Überstunden en masse abgeleistet haben und jeden Abend vollkommen erledigt waren, dann lernen wir, dass es richtig ist, die eigenen Grenzen permanent zu überschreiten. Wenn unsere Eltern sich gegenseitig gedemütigt haben oder schon seit Jahren freudlos nebeneinander herleben, dann speichern wir dieses Verhalten als Blaupause für Beziehungen ab – und wiederholen diese Muster womöglich selbst oder vermeiden tiefere Bindungen unbewusst, weil wir uns vor den vermeintlich normalen Konsequenzen fürchten.

Wenn es also auch bei dir einen Lebensbereich gibt, in dem du dich immer wieder gehemmt fühlst, dann frage dich doch einmal: Was haben mir meine Eltern diesbezüglich vorgelebt? Was war für meine Eltern in diesem Lebensbereich normal?

Oft sind wir als Kinder unfassbar loyal gegenüber unseren Eltern. Und nicht selten geben wir uns lieber damit zufrieden, selbst unglücklich zu sein, als uns zu erdreisten, uns ein Leben zu gestalten, in dem es uns besser geht als Mama oder Papa. Ich möchte dich jedoch daran erinnern: Das, was für unsere Eltern „normal“ war, entsprach auch nur ihren unbewussten Prägungen – und ist deshalb ganz sicherlich nicht allgemeingültig. Wir tun ihnen, aber auch unseren Kindern (oder Nichten, Neffen, Patenkindern…) den allergrößten Gefallen, wenn wir uns selbst auf die Suche machen nach neuen, glücklicheren Lebenswegen, die wir gern vorleben und weitergeben. Also: Erlaube dir ein glückliches Leben! Deine Anne

P.S.: Das auf dem Bild ist meine Mutter, die mich jedes Jahr mehr lehrt, was es heißt, individuell und in Freude zu leben. Danke, Mama!

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