Meine Gefühle, deine Gefühle – Feinfühligkeit und Konfliktspiralen

Kleine Anmerkung: Weil ich in meinen Blogposts zu einem ehrlichen und persönlichen Nachdenken einladen möchte, verwende ich ein freundlich und respektvoll gemeintes „Du“.

In den letzten Tagen habe ich darüber nachgedacht, wie es eigentlich dazu kommt, dass es Tage gibt, an denen wir prinzipiell gut drauf sind – und auf einmal finden wir uns trotzdem in einem genervten Dialog mit unserem Partner, einer Kollegin oder einem Familienmitglied wieder, in dem wir unseren zickigen Tonfall eigentlich selbst nicht leiden können. Unsere Laune hat sich abgekühlt und wir sind wenig begeistert von unserem Gegenüber, wenn wir ehrlich sind aber auch von uns selbst. Denn natürlich haben wir eigentlich andere Ansprüche an unser Verhalten und nehmen uns dementsprechend dann auch oft vor, es in der Zukunft anders zu machen. Dennoch kenne ich es von mir (und du ja vielleicht auch von dir?), dass ich immer wieder in solchen Situationen lande, in denen irgendetwas schief gelaufen ist und die Stimmung kippt, ohne dass ich so richtig den Finger darauf legen könnte, was da eigentlich passiert ist.

Abgesehen von typischen Reizthemen, die es in jeder Beziehung gibt und die natürlich dafür verantwortlich sein können, ist mir aufgefallen, dass in solchen Fällen oft auch so etwas wie eine (häufige sehr subtile) „Stimmungsansteckung“ stattfindet. Wenn du magst, kannst du ja mal überlegen, ob du das kennst: Du triffst auf einen Freund, deine Partnerin oder (gern besonders heikel) deine Eltern, und die Grundstimmung deines Gegenübers ist nicht die allerbeste. Vielleicht ist derjenige bzw. diejenige ein bisschen mürrisch, gereizt oder einfach geschafft – und wenn du einigermaßen feinfühlig bist, nimmst du das wahr. Das heißt, du kannst selbst etwas von den Gefühlen der anderen Person spüren – aber dank deiner Spiegelneuronen eben nicht „irgendwo da draußen“, sondern ganz konkret in deinem eigenen Körper. Das passiert oft ganz unmerklich: Du bist im Gespräch mit deinem Gegenüber und tauscht dich möglicherweise über recht harmlose Themen aus, in dir drin beginnt das Stimmungsbarometer jedoch zu sinken.

Was nun passiert, ist meiner Erfahrung nach oft einer der maßgeblichen Auslöser für unliebsame Konfliktspiralen: Wenn wir mit unserem Gegenüber interagieren, tun wir das nun oft nicht mehr aus unserer ehemals friedlichen, entspannten Stimmung heraus, sondern aus dem hintergründigen Stressgefühl heraus, mit dem wir uns quasi „angesteckt“ haben. Wir reagieren also möglicherweise gereizter, als wir es sonst tun würden, oder geben spitze Kommentare ab – was logischerweise nur dazu führt, dass das Stresslevel sich weiter hochschaukelt. Im Zweifelsfall, bis die Situation mit Türenknallen beendet wird.

Wie kann uns diese Erkenntnis helfen? Wenn du magst, dann achte doch in den kommenden Tagen mal darauf, was in dir passiert, wenn dein Partner schlecht gelaunt nach Hause kommt oder deine Kollegin kurz angebunden ist. Wenn du spürst, wie deine Stimmung sich im Kontakt verändert, dann nimmst du deine Spiegelneuronen in Aktion wahr. Du spürst die Stimmung deines Gegenübers – und machst sie, wenn du nicht Acht gibst, schnell zu deiner eigenen.

Ein erster Schritt, um genau das zu verhindern, kann darin bestehen, ganz bewusst wahrzunehmen, was da gerade passiert – und dann keinen entnervten Kommentar abzugeben, sondern Dir zunächst einmal zu verdeutlichen: „Ich spüre gerade Stress – aber womöglich ist das gar nicht meiner.“ Je nach Lust, Laune und Kapazität können wir dann einfach tief durchatmen (manchmal reicht das), uns zurückziehen (manchmal reicht es nämlich nicht) oder unser Gegenüber freundlich darauf ansprechen, dass wir den Eindruck haben, es gehe ihm oder ihr nicht so gut geht und im Zweifelsfall unser offenes Ohr anbieten.

Auf diese Weise kann es gelingen, dass wir Konfliktspiralen unterbrechen – und am Ende nicht mit Stressgefühlen nach Hause gehen, die eigentlich gar nicht unsere eigenen sind.

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