Wie wir den Blick wieder nach vorn richten können

Kleine Anmerkung: Weil ich in meinen Blogposts zu einem ehrlichen und persönlichen Nachdenken einladen möchte, verwende ich ein freundlich und respektvoll gemeintes „Du“.

Ostern steht vor der Tür und egal, ob wir damit im religiösen Sinne irgendetwas anfangen können oder nicht, hat diese Jahreszeit, in der der Frühling endlich (selbst hier im Norden!) da ist, etwas von einem Neuanfang, finde ich. Nachdem wir uns durch die kalten Wintermonate geschleppt haben, verweisen die Sonne und die Blütenpracht um uns herum verheißungsvoll auf alles, was der Sommer für uns bereithält. Eine gute Zeit, um unter die Lupe zu nehmen, wo wir uns den Blick auf neue Chancen bislang verbauen, weil wir immer noch mit längst Vergangenem beschäftigt sind.

„Vergeben heißt, unsere Hoffnung auf eine bessere Vergangenheit aufzugeben.“ Als ich dieses Zitat das erste Mal gehört habe, hatte ich einen ziemlichen Aha-Moment und musste erstmal schwer schlucken. Denn auch wenn es ziemlich irrational ist: Wie oft sind wir tatsächlich damit beschäftigt, uns auszumalen, wie glücklich wir heute sein könnten, wenn die Dinger gestern (oder vor 20 Jahren) anders gelaufen wären?

In gewisser Hinsicht ist ein solches Betrauern vollkommen normal und sogar gesund, glaube ich. Manches können wir erst loslassen, wenn wir uns gestatten, klar zu sagen: „Das war furchtbar.“ Wir können lernen, zukünftig selbst anders zu handeln und bilden unsere Werte auch anhand von Erfahrungen aus, die wir beklagen. Aber: Dieser Blick über die Schulter hilft uns nur, solange wir die Perspektive irgendwann wieder nach vorne richten. Gelingt uns das nicht, behindern wir uns selbst dabei, von einem Zustand, der uns schmerzt, jemals an einen Ort zu gelangen, an dem es uns gut geht. Nur dann, wenn wir die Vorstellung von einer Vergangenheit loslassen können, in der die Dinge anders, besser gelaufen sind, können wir beginnen, die Gegenwart zu gestalten und nicht nur zu ertragen. Wie kann uns das gelingen? Nun, auf dem Weg zu ein klein wenig mehr innerem Frieden gibt es sicherlich kein allgemeingültiges „Drei-Schritte-Programm, aber das hier könnte vielleicht helfen.

1.) Betrauern. Wenn wir bislang vor einem Thema eher davon gelaufen sind, kann es wichtig sein, dass wir noch einmal bewusst spüren, was wir uns anders gewünscht hätten, ohne uns deshalb zu schämen oder schlecht zu fühlen. (Um einen eigentlichen Killer-Satz zu bedienen: Lass alles raus.)

2.) Betrachten. Wenn wir uns erlaubt haben, unsere Gefühle wirklich zuzulassen, kommt irgendwann der Punkt, an dem wir wahrnehmen können, was gewesen ist, ohne sofort emotional zu werden. An diesem Punkt können wir dann einfach noch einmal in Ruhe schauen. Was ist da eigentlich passiert? (Und zwar nicht im Sinne von „XY hat sich wie ein riesengroßer Mistkerl verhalten“, sondern eher im Sinne von „Ich habe das getan, XY hat jenes gesagt“.)

3.) Hinterfragen: An dieser Stelle darf sich denn innerer Detektiv ans Werk machen, der recht neugierig aber auch ziemlich empathisch ist (Sein Nebenfach auf der Detektivschule war Sozialpädagogik, ich gebe es zu). Es geht nun darum, zu hinterfragen: Aus welchen Gründen haben ich und alle anderen Beteiligten sich damals womöglich so verhalten, wie wir es getan haben? Achtung: Es gibt aber eine Sonderregel. Pure Fiesheit und ein durchtriebener Charakter zählen nicht als Antwort. Stattdessen wären clevere Detektiv-Fragen zum Beispiel: Wer hat damals wo aus Angst gehandelt? Wo hat jemand versucht, auf seine Weise Gutes zu erreichen (auch wenn diese Vorstellung von „Gut“ mit meiner nicht harmonieren mag)? Wo habe auch ich vielleicht vorzeitige Schlüsse gezogen, jemanden unbewusst gekränkt oder missverstanden? Es geht bei dieser Frage nicht darum, tatsächlich glasklar herauszufinden, wieso weshalb warum die Dinge so waren, wie sie waren. Vielmehr können diese Fragen unser oft ziemlich festgefahrenes Bild von der Vergangenheit etwas lockern und uns zu neuen Perspektiven anregen.

4.) Verändern: Nach diesem Blick auf die Vergangenheit richten wir unseren Fokus nun wieder auf die Gegenwart. Wo können wir hier und heute etwas anders machen, damit es uns gut geht? Das beinhaltet auch die Frage danach, ob wir etwas, das uns in der Vergangenheit gefehlt hat, in der Gegenwart gestalten können:  Können wir mit Menschen Frieden schließen, mit denen wir im Clinch liegen? Können wir unsere Freundschaften so pflegen, dass sie für uns zu der Familie werden, die wir so nie hatten? Können wir uns selbst das sichere, unbeschwerte  Zuhause geben, das wir immer vermisst haben? Wenn wir unsere Wünsche und Bedürfnisse ernst nehmen und in die eigenen Hände nehmen, dann gelingt uns vielleicht irgendwann auch…

5.) Vergeben: Dieser Schritt lässt sich nicht erzwingen, sondern nur einladen. Möglicherweise ist er aber „die Lösung, in die wir irgendwann hineinleben“.

Ein wunderschönes Osterwochenende für dich!

Deine Anne

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